Das Geheimnis des Königs
Es war einmal ein König, der einen Sohn mit den Ohren eines Ochsen hatte. Der König schämte sich dessen und hielt den Prinzen in einem abgelegenen Zimmer des Schlosses versteckt.
Bald war es an der Zeit, dass der Kopf des Prinzen rasiert werden sollte. Der König ließ einen königlichen Barbier aus einem anderen Königreich kommen und die Zeremonie fand im Geheimen statt. Als die Zeremonie beendet war, rief der König den Barbier auf sein Zimmer und warnte ihn. „Du darfst niemandem etwas über die Ohren des Prinzen erzählen. Wenn du es doch tust, werde ich dich ins Verlies werfen!“
Der Barbier versprach ihm, niemandem etwas davon zu sagen. Aber o weh, er konnte einfach kein Geheimnis für sich behalten. Nach einigen Tagen begann sein Bauch anzuschwellen. „Ich muss es jemandem erzählen oder mein Bauch wird platzen!“, dachte der Barbier.
Da kam ihm eine glänzende Idee. Er ging zu einem alten Baum und flüsterte ihm schnell das Geheimnis zu. Sogleich schrumpfte der Bauch bis zu seiner normalen Größe und es ging ihm viel besser. „Der Baum wird bestimmt das Geheimnis des Königs bewahren“, sagte sich der Barbier.
Einige Tage später kam ein Trommler vorbei, der gutes Holz für eine neue Trommel suchte. Er blieb vor dem gleichen Baum stehen, dem der Barbier sein Geheimnis zugeflüstert hatte. Während er den Baum betrachtete, dachte er bei sich: „Das ist genau das, was ich suche!“ Alsbald fertigte er eine neue Trommel an und ging ins Schloss, um dem König vorzusingen.
Die Wache am Tor war froh, ihn zu sehen. „Sing etwas, um dem König eine Freude zu machen. Heute hat er schlechte Laune“, sagte die Wache. Plötzlich begann die Trommel, von selbst zu singen. „Ich habe ein Geheimnis, das darf niemand hören. Der Königssohn hat Ochsenohren!“ Schnell ergriff und schrie den Trommler an, „Niemand darf das Geheimnis des Königs preisgeben! Lauf weg, bevor Dich jemand fängt!“ Aber es war zu spät.
Der König hatte das Lied gehört und befahl, dass der Trommler hereingebracht wurde.Der arme Trommler wurde in den Hof geschleppt. „Wirf ihn ins Verlies!“, donnerte der König. „Aber er hat es nicht gemacht“, sagte die Wache. „Eure Majestät, es war seine Trommel.“ „Dann wirf auch die Trommel ins Verlies. Und bestrafe alle, die mein Geheimnis gehört haben!“, tobte der König. Er war so wütend, dass sein Schnurrbart zitterte.
Die Wache trat mutig vor. „Eure Majestät! Dann wäre es besser, Ihr würdet Euer ganzes Reich ins Verlies werfen, weil wir alle Euer Geheimnis kennen.“ Der König war sprachlos. Er schaute seinen getreuesten Minister an. „Stimmt es?“, fragte er. „Ja, Eure Majestät. Wir haben nie etwas gesagt, weil wir Euch nicht verärgern wollten“, antwortete der Minister.
Der König schämte sich. Er erkannte, was für ein grausamer Vater er gewesen war, da er seinen Sohn so viele Jahre lang verborgen gehalten hatte. Der König erklärte den nächsten Tag zum Feiertag. Er machte einen Umzug und führte seinen Sohn stolz durch das Königreich. Jeder jubelte und winkte dem jungen Prinzen zu, trotz seiner Ochsenohren. Die Wache führte den Umzug an, der Trommler folgte und spielte auf seiner neuen Trommel.